11.05.2020

Fliegende Völker

Sie sind gelb-schwarz gestreift. Allein ihre Farben sind schon eine Warnung. ACHTUNG! Ich kann gefährlich werden!

Auch wir Menschen fürchten uns oft vor ihnen, obwohl sie so klein sind... Ihr Euch auch???

 

Zugegeben: sicher sind wir nicht immer super entspannt, wenn so ein gelb-schwarz gestreifter Brummer an uns vorbeirauscht. Denn sofort kommt bei vielen von uns die nicht so schöne Erinnerung an den einen oder anderen schmerzhaften Stich wieder hoch... Oh ja, das tat weh!!! Aber mal ehrlich: meistens ist das nicht ganz grundlos passiert, denn: entweder sind wir aus Versehen auf unseren Peiniger draufgetreten, und der dachte, dass es wohl besser ist, sich mal bemerkbar zu machen. Oder wir haben nach dem „frechen Vieh“ geschlagen, weil es sich erdreisten wollte, etwas von unserem Lieblingskuchen nebst gesüßter Schlagsahne zu mopsen. Oder wir haben uns in der Nähe einer kugeligen papierähnlichen Behausung zu heftig bewegt. Das kann zur Folge gehabt haben, dass wir von deren Bewohner als möglicherweise agressiver Angreifer entlarvt und auf unangenehme Weise darauf aufmerksam gemacht wurden, dass man als Riese und Zweibeiner gefälligst Abstand zu wahren hat! Und an den Ausruf der Erwachsenen: VORSICHT, EINE WESPE! kann sich sicher auch jeder gut erinnern.

 

Aber sind Wespen wirklich so gefährlich?

(C) R. Jähne
(C) R. Jähne

Das findet ihr hier und jetzt heraus, denn heute geht es um die „Falken der Insekten“ und um die grösste Wespenart: DIE HORNISSEN!

Sie haben ein äußert spannendes Leben und ihr werdet staunen, was sie alles zustande bringen!

 

Jetzt im Mai beginnt die Zeit der Königinnen! Ja, bei Wespen, Bienen und Hummeln, aber auch zum Beispiel bei Ameisen, also eigentlich bei allen staatenbildenden Insekten, gibt es eine Königin. Allerdings keinen König.

 

Das Wort „staatenbildend“ soll bedeuten, dass diese Tiere in einer grossen Gemeinschaft von vielen Tieren leben, die alle meistens von einem eierlegenden Weibchen ihrer Art abstammen. In einem Staat hat jedes Tier seine besondere Aufgabe im Dienste dieser Gemeinschaft. Sie sorgen füreinander, kümmern sich gemeinsam um die Nachkommen, putzen, bauen und beschützen ihr Volk (so nennt man diese Gemeinschaft auch). Ein bisschen ist das dann also so, wie bei uns Menschen.

(C) M. Schäferjohann
(C) M. Schäferjohann

Die Hornissenkönigin hat den Winter (erinnert ihr Euch? – Insekten halten eine „Winterstarre“) zum Beispiel unter der Rinde eines morschen Baumes, tief in einer Mauerritze oder vergraben in der Erde überdauert. Nun locken sie die warmen Frühlingstemperaturen nach draußen. Und sie hat viel vor! Zuerst muss sie sich stärken – der austretende Saft von Bäumen oder süßer Blütennecktar kommen ihr da gerade recht, und vielleicht hat sie auch schon Jagdglück und erbeutet das erste Insekt! Hornissen sind nämlich Fleischfresser, vor allem Insekten und ihre Larven stehen dabei auf ihrem Speiseplan. Mit einem Tempo von bis zu 25 km/Stunde machen sie geschickt Jagd auf Fliegen, Käfer, Raupen und Co.

(C) S. Haferbeck
(C) S. Haferbeck

Hat sich die Königin gestärkt, macht sie sich als nächstes auf die Suche nach einem geeigneten Platz für ein Nest. Sie sucht nach etwas ganz Bestimmtem – vielleicht gibt es dort drüben in dem alten Garten einen morschen Baum mit einer Höhlung, die groß genug wäre? Oder der alte Holzschuppen auf dem Nachbargrundstück, der sieht auch nicht schlecht aus. In den Vogelnistkasten an der Hauswand könnte man auch mal reinschauen! Und wenn gar nichts klappt, erkundet sie vielleicht noch den Jäger- Hochstand drüben am Waldrand. Auf jeden Fall sollte es eine Art Höhle sein, ein geschützter, ungestörter Platz. Hat sie den erst einmal gefunden, geht es los: habt ihr Euch vielleicht schon einmal gewundert, was Wespen auf eurem Gartenstuhl oder am Holzschuppen zu suchen haben? Wenn ihr sie dabei genauer beobachtet, könnt ihr erkennen, dass sie dort mit ihren kräftigen „Mundwerkzeugen“ Holzfasern abraspeln. So sammeln sie das Baumaterial für ihr Nest. Das abgeraspelte Holz wird zerkaut und mit Speichel zu einem knetbaren Holzbrei verarbeitet. Das ist dann die Baumasse, aus der unsere Hornisse zunächst eine Art Stiel oder Säule formt, die zum Beispiel an der Decke des Holzschuppens angebracht wird. Dann holt sie weiteres Baumaterial und formt daraus die ersten sechseckigen Waben, die an der Säule befestigt werden. Das Ganze umgibt sie mit einer schützenden Außenhülle. Das Nest hat dann die Form einer kleinen nach unten offenen Kugel, vielleicht so groß wie ein Golfball. Der Papierbrei härtet schnell aus und das kleine Nest ist erstaunlich stabil.

(C) R. Jähne: Nest der Gemeinen Wespe mit Larven
(C) R. Jähne: Nest der Gemeinen Wespe mit Larven

In jede der Waben legt die Königin ein Ei, aus dem nach etwa 5-8 Tagen die ersten Larven schlüpfen. Sie werden von der Königin geputzt und mit deftiger Fleischnahrung, meist erbeuteten Insekten, gefüttert. Bald beginnen die Larven sich in einem Kokon aus einer Art Seidengespinst zu verpuppen. Und im Innern dieses Kokons vollzieht sich eine wundersame Verwandlung: aus einer kleinen dicken weißen Larve entwickelt sich ein feingliedriges Insekt mit Flügeln, Fühlern und sechs Beinen! Die „fertigen“ Hornissen sind zunächst immer unfruchtbare Arbeiterinnen. Sie sind deutlich kleiner als die Königin, nur höchstens 2,5cm groß, während die Königin mit etwa 3,5cm ungefähr so groß ist, wie die Patrone Eures Schreibfüllers. Von jetzt an kümmern sich die fleißigen Arbeiterinnen, sozusagen die Töchter, um die Königin. Diese verlässt nun immer seltener das Nest und ist vor allem mit der Eiablage beschäftigt. Die Brutpflege des Hornissen-Nachwuchses übernehmen dann die Arbeiterinnen . Sie müssen die heranwachsenden und ewig hungrigen Larven ständig mit herzhafter Fleischnahrung , vor allem erbeuteten Insekten, versorgen. Im Gegenzug bekommen die Arbeiterinnen von den Larven über deren Speichel eine Art „Energy-Drink“ aus Zucker, Eiweiß und Vitaminen. Immer mehr Larven wachsen heran und das Volk wird immer grösser. Damit muss natürlich auch das Nest wachsen. Bald hat es die Größe eines Fußballs, und es wächst weiter! Die unermüdlichen Arbeiterinnen bauen immer wieder neue Stockwerke mit Waben an und die schützende Aussenhülle muss stetig erweitert werden. Wird es im Sommer zu warm, muss auch noch Wasser herbeigeschleppt werden. Denn die Temperatur im Nestes muss immer auf knapp unter 30 Grad Celsius gehalten werden. Das schaffen die Arbeiterinnen, indem sie Wasertröpfchen an den Wänden verstreichen und durch Flügelschlagen für Luftkühlung sorgen. Die Nester der Hornissen sind übrigens im Gegensatz zu den Nestern anderer Wespenarten nach unten offen. Im Laufe des Sommers kann das Nest bis zu 60cm und grösser werden! Es ist zu einem prachtvollen Papierpalast angewachsen, in dem mehrere hundert (bis zu etwa 700, manchmal sogar mehr) Tiere leben! Erstaunlich!

(C) R. Jähne: Larve einer Feldwespe
(C) R. Jähne: Larve einer Feldwespe
(C) M. Schäferjohann
(C) M. Schäferjohann

Zum Spätsommer hin beginnt die Königin auch befruchtete Eier in die Waben zu legen. Mit diesen hat es etwas Besonderes auf sich! Aus ihnen entwickeln sich nämlich die Drohnen (Männchen) und fruchtbaren Weibchen ( zukünftige Königinnen). Diese schwärmen im frühen Herbst aus. Das heißt, sie verlassen das Nest, um sich zu paaren. Im Laufe des Herbstes sterben die Arbeiterinnen, Drohnen und auch die alte Königin. Nur die jungen Königinnen suchen sich ein geeignetes Winterversteck und warten auf den Frühling, um sich dann ein eigenes Volk zu gründen.

 

Wenn ihr übrigens im Winter einmal das Glück habt, und ein verlassenes Hornissen- Nest (oder das Nest einer anderen Wespenart) findet, könnt ihr es ruhig vorsichtig von seinem Platz nehmen, um es genauer anzusehen. Die Wespen brauchen es nicht mehr, denn in jedem Frühling bauen die jungen Königinnen ihr eigenes Nest. Euch fällt dann sicher auch auf, das so ein Nest in verschiedenen Grau- und Brauntönen gemasert ist. Die unterschiedlich gefärbten Streifen entstehen dadurch, dass sich die Wespen immer wieder an verschiedenen Bäumen oder anderen „Holzquellen“ ihr Baumaterial holen.

 

Solltet ihr Euch aber im Sommer oder frühen Herbst einem Nest nähern , haltet einige Meter Abstand und bewegt Euch nur ganz langsam! Dann könnt ihr die Hornissen sogar problemlos beobachten. Hornissen gehören zu den friedfertigsten Wespen und sind absolut nicht angriffslustig, wie manche das behaupten! Sie wollen einfach nur in Ruhe gelassen werden! Und lästig werden sie auch beim Kuchenessen im Garten oder beim Eisschlecken nicht, wie manche andere Wespenarten. Süßkram dieser Sorte steht nämlich nicht auf ihrem Speiseplan – sie essen lieber deftig! Und sollte es dann doch mal passieren und die Hornisse setzt ihren Stachel ein (das tun aber gerade Hornissen selten): auch ihr Stich ist nicht gefährlicher als der einer Biene oder einer anderen Wespenart.

 

(C) M- Schäferjohann
(C) M- Schäferjohann

Also freut Euch eher, wenn ihr diese spannenden Tiere zu Gesicht bekommen könnt, denn sie werden immer seltener. Auch den Hornissen fehlen nämlich zunehmend die Lebensräume ( zum Beispiel Hohlräume für den Bau von Nestern, Lebensräume in denen es ausreichend Insekten zu jagen gibt) Gleichzeitig übernehmen sie aber als geschickte Insektenjäger eine sehr wichtige Aufgabe in der Natur. Ein ausgewachsenes Hornissenvolk kann täglich ein halbes Kilogramm Insekten vertilgen! Jeder Gärtner oder Landwirt sollte sich freuen, wenn er Hornissen in der Nähe hat, denn sie erbeuten natürlich auch viele Insekten, die zum Beispiel an den angebauten Pflanzen herumknabbern. Auch für Waldbesitzer sind Hornissen wichtig, da sie Forstschädlinge, wie zum Beispiel die Raupen des Eichenprozessionsspinners fressen. Hornissen gehören daher zu den besonders geschützten Arten. Sie dürfen nicht einfach gestört, verletzt oder gar getötet werden, nur weil man sie zum Beispiel nicht im Garten haben möchte. Und nur in Ausnahmefällen und mit Genehmigung der Naturschutzbehörden dürfen ihre Nester entfernt oder umgesiedelt werden. Schließlich hat jedes Tier ob groß oder klein seine wichtige Aufgabe in der Natur und ein Recht auf seinen Lebensraum - findet ihr nicht auch?

 

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