Es ist Nacht. Am Rande des kleinen Dorfes ist alles still. Dunkelheit umgibt die kleinen Bauernhäuser. Hin und wieder reissen die Wolken auf und fahles Mondlicht ergiesst sich über Häuser, Gärten, Wald und Feld. Dann werfen die knorrigen Obstbäume filigrane Schatten über die alten Gemäuer. Eine Schleiereule gleitet lautlos über das Dach der alten Scheune.Und für einen Augenblick leuchten Sterne aus weiter Ferne auf. Doch schon bald schiebt sich erneut ein Vorhang aus dicken Wolken vor den Nachthimmel, und Dunkelheit umhüllt das Dorf.
Aber seht doch – dort drüben leuchtet noch schwach ein Fenster! Es ist noch jemand wach!
Lasse kann nicht schlafen. So ist das oft, wenn Vollmond ist. Dann wacht er mitten in der Nacht auf und ist hellwach. Einfach so. Manchmal hat er dann Angst. Alles ist so still und auch etwas unheimlich. Da hilft dann manchmal nur noch sein Weltraumbuch, das mit den tollen Fotos von Spiralnebeln, fernen Galaxien und Schwarzen Löchern. Die sind echt cool! Wenn er sich diese tollen Bilder ansieht, vergisst er seine Angst und manchmal schläft er dann darüber ein und träumt von... Aber dieses Mal ist es anders. Nicht das helle Mondlicht hat ihn geweckt. Ein Geräusch war es! Etwas hat da draussen unter seinem Fenster gepoltert – oder hat er nur geträumt? Jetzt ist es still. Lasse lauscht in die Dunkelheit. Nichts. Und gerade will er sein Buch weiterlesen – da ist es wieder! Sein Herz klopft. Dann wieder Stille. Oder war da nicht ein Rascheln? Und dann ist er sich sicher: Etwas ist in dem alten Kirschbaum vor seinem Fenster. Es macht komische Geräusche. Und es kommt näher! Lasse erstarrt. Ihm sträuben sich die Nackenhaare. Soll er schreien, nach seinen Eltern rufen? Aber etwas hält ihn davon ab. Und jetzt nimmt er seinen ganzen Mut zusammen. Er löscht das Licht. Dunkelheit. Er wagt kaum zu atmen. Leise schiebt er die Bettdecke zur Seite. Seine Füsse tasten nach dem kalten Holzfussboden. Er steht auf und macht drei vorsichtige Schritte. Dann steht er am Fenster. Er hält den Atem an und lauscht. Da ist es wieder, das Geräusch. Jetzt ist es schon sehr nahe. Ein Schnaufen, Knurren und leises Kratzen. Ein Einbrecher? Und da – jetzt sieht er etwas: ein Schatten bewegt sich den Baumstamm hinauf! Gleich hat er das Fenster erreicht...Kein Einbrecher. Zu klein. Vorsichtig greift Lasse nach der Taschenlampe die immer griffbereit auf der Kommode neben dem Fenster liegt. Er ist bereit. Und dann geht alles ganz schnell: Das „Etwas“ hat den Ast vor seinem Fenster erreicht. Im selben Moment blitzt die Taschenlampe auf – und Lasse starrt in eine MASKE!
Wer war der nächtliche „Einbrecher“? Ihr habt vielleicht schon geahnt, dass es ein Tier sein könnte?! Ein Tier mit einer Maske wie Zorro?
Von ihm wollen wir Euch heute Spannendes erzählen!
Ist Euch schon mal ein Waschbär in freier Natur begegnet? Dazu muss man schon mal raus in die Dunkelheit, denn der Waschbär ist dämmerungs- und nachtaktiv! Wenn wir bereits in den Federn liegen, wird der kleine graue „Kobold“ mit der schwarzen Gesichtsmaske erst so richtig munter. Die Gesichtsmaske hilft den Waschbären übrigens dabei, sich gegenseitig in der Dunkelheit besser zu erkennen. Das bewirkt der Kontrast zwischen dem grauen Fell und der dunklen Augenpartie. Man nimmt auch an, dass die dunkle Maske ähnlich wie bei Erdmännchen, vor der blendenden Sonnenstrahlung schützt.
Coole Sonnenbrille, oder?
Und was macht der Waschbär auf Lasses Kirschbaum?
Waschbären sind sehr vielseitig bei ihrer Nahrungssuche. Auf ihrem Speiseplan stehen Insekten, Würmer, Schnecken,Amphibien und Fische. Manchmal auch Vogeleier, gelegentlich Jungvögel oder sogar Mäuse. Und je nach Jahreszeit lassen sie sich auch gerne Obst, Beeren, Eicheln und Nüsse schmecken. Bei der Futtersuche streifen sie viel umher und fressen, was ihnen Leckeres vor die Nase kommt. Da Waschbären ausgezeichnet klettern können, erwischt man sie auch immer wieder mal auf Omas Pflaumenbaum oder hoch oben im Geäst einer Kirsche. Wie kaum ein anderes Säugetier ihrer Grösse können die flinken Tiere sogar mit dem Kopf voraus einen Baumstamm hinunterklettern! Dabei verdrehen sie ihre Hinterpfoten so weit, dass diese nach hinten zeigen und so den nötigen Halt finden.
Überhaupt sind die grauen Kerlchen mit dem hell-dunkel geringelten buschigen Schwanz ganz schön pfiffig, wenn es darauf ankommt, an Leckereien zu kommen! Geschickt knacken sie Mülleimerdeckel wenn Küchenabfälle allzu verlockend riechen. Auch Futterhäuschen für Vögel werden erobert, denn Sonnenblumenkerne, Getreide und Nüsse sind allzu verführerisch. Ja sogar über Katzenklappen können sie in Gebäude gelangen, um sich dort frech an Miezekatzes Futternapf zu bedienen. Und Komposthaufen oder Kompostbehälter sind manchmal wahre Fundgruben, um ein wenig Abwechslung „auf den Tisch“ zu bekommen. Wer Waschbären nicht als Dauergast in der Nähe seines Hauses haben möchte, sollte sich also genau überlegen, was zum Beispiel auf den Kompost kommt oder wie er seinen Müll sortiert und aufbewahrt!
Denn haben sie sich erst einmal an neue Futterquellen wie Mülleimer gewöhnt, können die niedlichen Waschbären in manchen Dörfern oder Städten zu wahren Plagegeistern werden!
Vor etwa 100 Jahren wurden die ersten Waschbären aus Nordamerika zu uns gebracht. Diese armen Tiere wurden wegen ihres Pelzes in Gefangenschaft gehalten, meist in engen Käfigen. Mäntel und Mützen aus Waschbärenfell waren zu der Zeit heiss begehrt! 1934 wurden die ersten Waschbären in die freie Wildbahn ausgesetzt. Auch das war vielleicht keine so gute Idee. Denn immer dann, wenn Tiere in Lebensräume ausgewildert werden, in die sie eigentlich nicht gehören, kann das hin und wieder für die heimischen Tiere und Pflanzen schwierig werden. Der Waschbär kann für boden- oder auch baumbrütende Vögel ein Problem werden, wird manchmal gesagt, denn er frisst gelegentlich Vogeleier und Jungvögel. Das tun allerdings auch andere heimische Tiere, wie Eichhörnchen, Elstern, Katzen, Marder und Ratten zum Beispiel.
Später sind immer wieder auch Waschbären aus Gehegen oder Käfigen ausgebüxt. Seitdem haben sich die kleinen Raubtiere weiter in ganz Deutschland ausgebreitet. Sie haben kaum Feinde ( das wären zum Beispiel der bei uns noch immer seltene Wolf, oder auch der Fuchs oder grosse Greifvögel, die kleinen Waschbären gefährlich werden können) Waschbären lernen schnell und sind sehr anpassungsfähig. Das heisst, dass sie in verschiedenen Lebensräumen zurechtkommen können. Daher trifft man sie auch nicht selten in Dörfern und Städten an. Mittlerweile gehören sie schon fast zu unserer heimischen Tierwelt und wir werden bestimmt lernen, mit ihnen zurechtzukommen.
„Zugewanderte“ Tiere (oft durch Einfluss des Menschen), wie Waschbären, aber auch zum Beispiel Marderhund, Bisamratte oder der Amerikanische Nerz nennt man übrigens Neozoen.
Wenn man Waschbären bei der Nahrungssuche beobachtet, sieht es tatsächlich so aus, als würden sie sich ständig die Pfoten waschen oder ihre Nahrung säubern. Das liegt daran, dass sie mit ihren geschickten Pfoten im Wasser nach Nahrung suchen und die Beute dabei drehen und wenden, um sie gründlich zu untersuchen. In Gefangenschaft, wo die Tiere ihre Nahrung meist nicht selbst suchen können, leiden sie oft unter Langeweile Dann nehmen sie sich ihr Futter (z.B. aus dem Napf) und bringen es zur Wasserstelle im Gehege, um es dort wie in freier Natur zu „untersuchen“.
Waschbären „sehen“ mit ihren Pfoten – sie sind ihr wichtigstes Sinnesorgan!
Waschbären bevorzugen als Lebensraum Laubmischwälder mit Gewässern,viel Totholz und alten morschen Bäumen mit Höhlen. Die nutzen sie nämlich gerne als Schlafplätze und Quartiere für den Winter.
Doch bisweilen entwickeln die schlauen Kleinbären einen Sinn für häusliche Gemütlichkeit. Über Dachrinnen oder hausnahe Bäume finden sie den Weg in die gute Dachstube. Dort wird natürlich auch nach Fressbarem gesucht und das lautstark! Wenn es bei Euch also irgendwann einmal ordentlich auf dem Dachboden rumpelt und rumort– vielleicht habt ihr einen neuen Hausbewohner?!...Denn manchmal fühlt sich der Waschbär gleich sooo wohl, dass er gleich einzieht und eine geschützte Stelle unter Eurem Dach als Quartier bezieht.
Umso besser also, wenn Waschbären in der Natur ausreichend natürliche Höhlen finden, damit sie erst gar nicht auf die Idee kommen, woanders danach zu suchen. Solche Höhlungen finden sie zum Beispiel in naturnahen Wäldern mit vielen alten Bäumen (denn nur in alten morschen Bäumen entstehen solche Höhlungen).
Und überhaupt ist es wichtig, dass wir Menschen lernen, ein bisschen besser dafür zu sorgen, dass es für unsere Tiere ausreichend Lebensräume gibt. Damit Tiere wie Waschbären und Vögel zum Beispiel ausreichend Schutz und Nahrung finden. Wenn der Waschbär genug andere Nahrung wie Eicheln, Nüsse, Beeren oder Obst findet, macht er sich auch nicht allzu oft die Mühe, im Geäst eines Baumes herumzuklettern, um nach Vogeleiern zu suchen. Und wenn die Vögel viele gut geschützte Nistmöglichkeiten haben, fällt es auch dem Waschbär nicht ganz so leicht, an die Nester heranzukommen. Denn meistens frisst er das, was er am leichtesten erbeuten kann und was ihm auf seinem nächtlichen Weg so vor die Nase kommt. Und wenn wir schon mal bei dem Thema „Bequemlichkeit“ sind:
Im Winter ist Chillen angesagt !
Jetzt, vor dem Winter haben sich die Waschbären noch einmal ordentlich den Bauch vollgehauen. Und zwar so, dass sie zu Beginn des Winters manchmal doppelt so viel wiegen, wie im Frühjahr! (Überlegt doch mal, wie schwer ihr dann wäret...) Und kaum wird es kalt, wird gechillt! Bei den Tieren nennt man das dann Winterruhe. Das bedeutet, dass sie sich in ihr Winterquartier (zum Beispiel eine Baumhöhle) zurückziehen und dort einfach viel schlafen. Nur gelegentlich, vor allem wenn sie hungrig werden, oder wenn es draussen wärmer wird, verlassen sie ihr Versteck, z.B. um auf Nahrungssuche zu gehen.
Schaut Euch doch einmal unsere Seite über Siebenschläfer und Co an! Dort erfahrt ihr noch einmal genau, was es auf sich hat mit Winterschlaf, Winterruhe und Winterstarre! Unsere heimischen Tiere haben nämlich ganz unterschiedliche Strategien, um über die kalte Jahreszeit zu kommen!
Und hier in Kürze noch der Waschbären-Steckbrief: